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Il tappeto rosso - Der rote Teppich (Ein Kapitel aus "Das echte Italien")

In diesem Kapitel lernen Sie die folgenden italienischen Wörter kennen: bella figura, cortile, notaio, spumante.

Ach nein, zum roten Teppich. Natürlich hätten wir es nach so vielen Jahren wissen müssen, aber jedes Jahr vergessen wir es wieder. Zur Eröffnung der Opernsaison wird die Strada Nuova gesperrt, das Fraschini-Theater ins Rampenlicht gerückt, zwei in Napoleon-Kostüme gekleidete Wächter am Eingang postiert und ein roter Teppich ausgelegt. Fest! Und natürlich erscheinen alle Zuschauer in Galakleidung, um bella figura zu machen. Außer uns. In unserer alltäglichen Kleidung mit abgenutztem Pullover und abgetragenen Jeans stehen wir wieder wie niederländische Bauern da. Es fehlt nur noch, dass wir Holzschuhe tragen. Beschämt und auch ein wenig peinlich berührt ziehen wir uns in den Schatten der gegenüberliegenden Gebäude zurück und beobachten das auffällige Flanieren der Elite der Stadt. Erst in letzter Minute flüchten wir nach drinnen, wo wir uns dann vor den Augen von ganz Pavia durch den vollen Saal kämpfen müssen. Das passiert, wenn man erstklassige Tickets hat. Erst wenn wir sitzen und unsere zerschlissenen Jeans sicher vor den neugierigen Blicken der Pavese Würdenträger, fashionistas und anderen Feinschmeckern verborgen sind, wagen wir es, unsere geistigen Scheuklappen abzulegen und uns umzusehen.

Das Theater ist immer noch wunderschön. Wie so viele italienische Theater ist es eine kleine Scala, mit seiner Hufeisenform, den bis hoch oben gestapelten Balkonen, den mit weinrotem Samt bezogenen Holzstühlen und dem riesigen Kristalllüster, von dem wir nur hoffen können, dass er gut an der Decke befestigt ist, die mit einem großen Trompe-L'oeil-Fresko versehen ist. Der Saal füllt sich langsam und wir schauen aus unserem sicheren Schützenloch heraus um uns herum. Oh Gott, da haben wir sie wieder. Nico und ich schauen uns an und wechseln einen Blick des Einverständnisses. Das bösartige Kommentieren der anderen Opernliebhaber ist eines unserer köstlichsten Verbrechen. Diesmal zieht die rote Hexe unsere Aufmerksamkeit auf sich. Wie immer hat sie sich in ein viel zu enges Oberteil gezwängt, in dem ihre nach vorne gestreckte Brust prominent zur Geltung kommt. Genau wie ihr nach hinten gestrecktes Hinterteil. Sie hat eine Rückseite, auf der man, wenn man wollte, problemlos ein komplettes Teeservice abstellen könnte. Aber warum sollte man das wollen? Ihr etwas abgenutztes und übertrieben geschminktes Gesicht strahlt Unzufriedenheit aus und lädt nicht gerade zu einer gemütlichen Teestunde ein. Und dass sie nicht zu unterschätzen ist, haben wir letzte Saison erlebt.

Bei der ersten Aufführung der Saison stellte sich heraus, dass Frau genau in der Mitte der ersten Reihe einen Sitzplatz hatte. Sie saß direkt hinter dem Dirigenten und musste die gesamte Vorstellung gegen dessen Rücken ansehen. Das gefiel ihr nicht und sie begann, einen enormen Lärm zu machen, während sie noch wütender aussah als sonst und ihre leuchtend roten Haare wild hin und her wehten. Mit Erfolg, denn wie zahme Lämmer kamen die Verantwortlichen des Theaters einzeln zu ihr, um sich zu entschuldigen. Sie bekam einen Platz mit besserer Sicht. War sie vielleicht die assessore, Kultur-stadträtin der Gemeinde? Oder eine großzügige Förderin? Wir wissen es nicht und trauen uns nicht, sie zu fragen, aus Angst vor ihrem vulkanischen Temperament. Inzwischen hat das Spektakel, lo spettacolo, noch nicht begonnen. Besuche im Theater sind besonders an den ersten Abenden auch soziale Ereignisse. Jeder sieht sich nach der Urlaubszeit wieder und hat viel zu erzählen. Wir sehen es amüsiert an.

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Oh, schau mal, da ist auch wieder das feine Ehepaar. Wenn zwei Besucher Anspruch auf den Begriff Notabel erheben können, dann sie. Der Mann ist lang und schlank, ordentlich gekleidet und bewegt sich langsam zu seinem Platz im Saal mit vorsichtigen Bewegungen, die Zerbrechlichkeit suggerieren. Seine letzten, noch dunklen Haare hat er von der Seite über seinen ansonsten kahlen Schädel gekämmt. Er trägt eine dünne goldene Brillenfassung auf seiner kräftigen Nase. Von seinem Gesicht ist keine Emotion abzulesen, auch nicht, wenn seine Frau ihm etwas sagt. Die Frau trägt eine auffallend hochgesteckte, schwarz gefärbte Frisur. Wir vermuten die Anwesenheit eines Schwamms, der den leeren Raum füllt und die Wolke ihres Haares stützt. Wie ihr Mann strahlt sie eine adelige Distanziertheit aus. Jeder für sich schaut um sich herum und tauscht untereinander kein Wort aus. Alles wurde schon gesehen und gehört. Nach etwas ungeschicktem Hin- und Hergeschiebe sitzt der Mann endlich. Seine Augen schauen überall hindurch, sein Blick ist immer in die Ferne gerichtet. Vom Leben erwartet er keine Überraschungen mehr und er hat keine Wünsche mehr. Bei jeder Oper sitzt er stoisch da, reserviert schauend und sein Applaus ist knapp.

Unwillkürlich fange ich an zu fantasieren, wer er ist und was er macht. Er ist Notar, denke ich, seit Jahrzehnten in derselben Kanzlei im selben cortile in der Altstadt tätig. Notaio steht auf einem goldenen Schild an der Eingangstür, über die während all der Jahre seiner Karriere viele verzweifelte, wütende, traurige und rachsüchtige Mandanten ihn erreicht haben. Er beruhigte sie und verwies auf die unerschütterlichen, nüchternen Lehren des Gesetzes, die wie ein ungerührter Gott ohne Emotionen über Gewinn oder Verlust entscheiden. Seine Tage verlaufen in ruhiger Regelmäßigkeit, geordnet wie die Akten in den Archivschränken. Er kann sich vorstellen, dass auch der Bericht über sein Leben in ein paar Jahren von dem Schöpfer mit einem zufriedenen Lächeln weggelegt wird. Ein vollendetes, vollkommenes und zufriedenes Leben ohne Besonderheiten. Bereit zum Verstauben.

Das Licht geht endlich aus und wir genießen eine wunderschön inszenierte, gespielte und gesungene Macbeth von Verdi. Die überzeugende Aufführung der klassischen italienischen Opern ist den Italienern überlassen. Sie sind damit aufgewachsen und durchdrungen, das merkt man an allem. In der Pause geht jeder zur Lobby im obersten Stockwerk, wo eine Weinmarke ein kostenloses Glas italienischen Champagners (spumante) ausschenkt. Nicht nur an der Galanacht, nein, bei jeder Aufführung. Kein Gedränge und Ellbogenarbeit an der immer zu engen Bar für eine heiße Schokolade oder ein Bier, nein, es sind Bläschen oder nichts. Eine Viertelstunde später kehren wir für den zweiten Akt zurück in den Saal. In unserer Begeisterung und durch den Alkohol leicht betäubt, haben wir inzwischen vergessen, dass wir etwas underdressed sind. Die Mezzosopranistin holt nach ihrer Arie einen Extra-Applaus und wird auch nach der Vorstellung laut bejubelt, ebenso wie der Rest der Besetzung. Die bravos sind nicht zu überhören. Wir unterdrücken erneut den hartnäckigen holländischen Wunsch aufzustehen. Stehende Ovationen sind in Italien eine große Seltenheit und selbst dieses enthusiastische Publikum bleibt sitzen. Kommt es vor, dass man aufsteht, um zu applaudieren? Wir fragen uns vergeblich. Viel ekstatischer als an diesem Abend scheint der Jubel kaum zu sein.

Zehn Minuten später gehen wir über den roten Teppich nach draußen. Die Musik und der Applaus klingen noch in unseren Köpfen nach und für einen Moment scheint es, als ob wir selbst die Stars des Abends wären. Stars in Jeans, aber immerhin.

Dies war ein Kapitel aus "Das echte Italien - Geschichten aus dem Alltagsleben", erhältlich bei Amazon.de




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